Mittlerweile lebt Familie Bazelyuk seit fast einem Jahr in Deutschland. Kurz nach Kriegsbeginn sind die 54-jährige Valentina, ihr 62-jähriger Mann Vasil und ihre 33-jährigen Tochter Hanna aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Für die drei ein beschwerlicher Weg. Valentina und Vasil sind sehbehindert und Hanna sitzt im Rollstuhl. Viele glückliche Zufälle und tolle Menschen halfen ihnen auf ihrer Flucht.
Auch unser Lebenshilfe-Verein hat die Familie unterstützt. Unsere Ambulanten Hilfen in Rathen haben ihnen ein erstes Zuhause gegeben und Ihnen bei der Wohnungssuche, Einrichtung und beim Umzug geholfen.
Im Juli 2022 haben wir mit Familie Bazelyuk das Interview geführt, auf Russisch. Sie berichten uns über Tage der Ungewissheit und über ihren neuen Alltag in Deutschland.
Wie ist Ihre Flucht verlaufen?
Wir wissen selber nicht, woher Gott uns diese Menschen geschickt hat. Aber wir sind sehr sehr dankbar!
Die ersten Tage, als die Explosionen begannen, waren schrecklich. Wir konnten hören, dass der Krieg begonnen hatte. Einige Tage nach Kriegsbeginn wurde auch unsere Stadt Schytomyr angegriffen. Wir leben etwa 140 km westlich von Kiew. Das Krankenhaus, das Geburtshaus und auch die Schule in der Nähe wurden komplett zerstört. Ständig gingen die Sirenen und wir konnten vor Panik nachts nicht mehr schlafen. Wir konnten uns auch nicht im Keller verstecken, da wir dort mit Hannas Rollstuhl nicht hingekommen sind. Also haben wir uns im Bad versteckt und gebetet. Wir wussten einfach nicht mehr weiter. Und dann haben wir die Entscheidung getroffen Schytomyr zu verlassen.
Doch wegen Hannas Rollstuhl war das gar nicht so einfach, denn viele Hilfsorganisationen waren darauf gar nicht eingestellt. Eine Juristin hat uns dann an eine Organisation für Menschen mit Behinderung vermittelt, die uns nach Polen gebracht hat. Dort haben wir Jana und Sebastian getroffen, zwei echte Engel. Die beiden haben uns dann nach Rathen zu den Ambulanten Hilfen gefahren.
Wie geht es Ihnen, wenn Sie an diese Zeit zurückdenken?
Hier sind wir endlich in Sicherheit, das gibt uns ein beruhigendes Gefühl. Auch unsere Panikattacken sind mittlerweile verschwunden und wir können wieder schlafen.
Und wir wissen, dass es einen Morgen gibt, einen Tag danach – das ist ein gutes Gefühl!
Die ersten Wochen und Monate haben Sie in den Räumlichkeiten unserer Ambulanten Hilfen in Rathen verbracht. Anfang Juni sind sie dann in eine eigene Wohnung im Zentrum von Pirna gezogen. Wie haben Sie sich eingelebt?
Wir fühlen uns in unserer Wohnung sehr wohl, es ist richtig gemütlich und gefällt uns sehr gut. Ehrlich gesagt, haben wir nicht gedacht, dass wir so herzlich in Deutschland aufgenommen werden. Wir hatten große Bedenken, da wir vorher unser Land fast nie verlassen haben, nur zweimal für eine Kur in Polen und in der Krim. Aber hier sind alle so herzlich, hilfsbereit und freundlich – dafür sind wir sehr dankbar.
Besonders bedanken möchten wir uns bei Frau Koch und Frau Krause und Ihrem Team von den Ambulanten Hilfen für die tolle Unterstützung. Sie haben uns nicht nur am Anfang mit allen wichtigen Utensilien versorgt, sondern uns die ganze Zeit bei Behördengängen, Übersetzungen, der Wohnungssuche und auch Einrichtung unterstützt. Ganz herzlichen Dank!
Und ein großes Dankeschön geht auch an den Pirnaer Möbelhandel, die uns einen Großteil der Möbel und Dekoration für unsere Wohnung zur Verfügung gestellt haben.
Wie können wir uns Ihren Alltag hier bei uns in Pirna vorstellen?
Wir sind ein eingespieltes Team. Mein Mann und meine Tochter gehen vormittags oft einkaufen. Ich mache dann den Haushalt, koche, räume auf oder wasche Wäsche.
Am Nachmittag gehen wir gern zusammen spazieren. Hier in der Nähe ist ein Springbrunnen. Da sitzen wir viel und hören dem Wasser zu. Das tut uns allen gut, da können wir ein bisschen entspannen. Aber wir bleiben vor allem hier in der näheren Umgebung der Wohnung. Weitere Ausflüge machen uns Angst.
Wie blickt ihr in die Zukunft?
Wir hoffen sehr, dass wir bald wieder zurück in „unsere“ Ukraine können. Es ist unser Land, unsere Heimat. Aber wir haben mit Deutschland eine 2. Heimat gefunden. Und das wird Deutschland für uns auch immer bleiben!
Wir würden uns freuen, wenn wir die Möglichkeit bekommen, noch etwas von Deutschland zu sehen. Die Sächsische Schweiz, Dresden oder Berlin. Damit wir einfach noch ein paar schöne Erinnerungen an unsere Zeit hier in Deutschland sammeln können, die wir dann – hoffentlich bald – mit nach Hause nehmen können.